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Wohin mit dem Kreuz?

Als Besucher der Gottesdienste kann man nicht an ihnen vorbeischauen. Sie stehen hochaufragend hinter dem Altar. Drei Kreuze, an denen die Geschichte der Kreuzigung Jesu erzählt wird. Jesus hängt in der Mitte und die beiden sogenannten Schächer jeweils links und rechts daneben.

Manche stören sich daran, dass diese im Grunde brutale Szene so in der Köngener Kirche steht, dass niemand daran vorbeischauen kann. Muss ausgerechnet diese Tötungsszene gezeigt werden?

Ein Kreuz musste es auch in der Vergangenheit sein. Allerdings war es im Laufe der Zeit immer wieder verschieden, wie die Kreuze standen, wie viele es waren und welches Kreuz stand.

Als Daniel Pfisterer die Kirche im 18. Jahrhundert malte, stand im Chor der Peter- und Paulskirche noch der Flügelaltar dort und die drei Kreuze mit Jesus und den beiden Schächern ragten hinter dem Altar hoch hinauf. Damals waren sie noch bemalt.

Als 1852 die Peter und Paulskirche renoviert wurde, beschloss der Kirchengemeinderat den Altar ins Kirchenschiff zu verlegen. Dadurch wurde der Flügelaltar überflüssig und die drei Kreuze waren zu massig für den kleineren Altar. Also wurden Kreuze und Flügelaltar entfernt und nur noch ein Kreuz hinter dem Altar aufgestellt, das noch heute in der Sakristei hängt.
Die originalen drei Kreuze verschwanden auf der Kirchenbühne und wurden schlicht vergessen.

Ein halbes Jahrhundert später, 1904, entdeckte der Vikar Otto Rieger die Kreuzigungsgruppe wieder. Allerdings hatte die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt keine Verwendung dafür, weshalb sie Rieger den Christus-Corpus zu seinem Abschied für 25 Reichsmark überließen. Die beiden Schächer standen unterdessen etwas verloren in der Sakristei und waren im schlechten Zustand. Der Wurm war drin und die Farbe blätterte.

Rieger übernahm schließlich seine erste Anstellung als Pfarrer in der Gemeinde Oberriflingen im Schwarzwald. Während des 1. Weltkriegs war Rieger Divisionspfarrer in der Armee und deshalb nicht in seiner Gemeinde. Der Kirche Oberriflingen drohte aus Kriegsgründen die Glocken eingeschmolzen zu werden. Die Ehefrau von Pfarrer Rieger bemühte sich allerdings beim damaligen Landeskonservator darum die Glocke aus dem 15. Jahrhundert zu retten.

Der Landeskonservator entdeckte bei seinem Besuch in Oberriflingen den Köngener Christus und schätzte ihn sofort als sehr wertvoll ein. Wie die Verhandlungen letztlich gelaufen sind, ist zwar nicht mehr nachzuvollziehen, aber es lief auf die Formel heraus: Das Museum bekommt den Christus und die Glocke bleibt in Oberriflingen.
Hinterher hatte das Museum Schuldgefühle, weil sie ja das rechtmäßige Eigentum von Pfarrer Rieger beschlagnahmt hatte und gab eine Kopie der Christus-Figur in Auftrag.
Nachdem Pfarrer Rieger aus dem Krieg wieder nach Hause kam und die Pfarrstelle wechselte, nahm er die Kopie mit, versprach aber der Gemeinde Oberriflingen, dass die Christus-Kopie nach seinem Tod wieder dorthin zurück gebracht werde.

In Köngen machte man sich ein halbes Jahrhundert später, 1953, wieder daran, die Kirche zu renovieren. Diesmal sollte der alte Stil von vor 1852 wieder hergestellt werden, das bedeutete, dass der Altar aus "kultischen Gründen" wieder in den Chor gerückt wurde. Da dieser (der heutige) Altar aber viel größer als der alte war, benötigte man ein anderes Kreuz. Zwei Vatianten wurden dabei bedacht: Die eine war, dass man ein ganz neues Kreuz machen lasse, das allerdings als einzelnes Kreuz sehr viel größer hätte ausfallen sollen mit einem in Lebensgroßen Christus-Korpus, oder man wollte zu den + zwei schon vorhanden Schächern ein Christuskreuz anfertigen lassen.

Man entschied sich für die zweite Lösung und ließ vom Bildhauer Henn aus Kemnat ein Kreuz mit Corpus erstellen. Es war keine Kopie, sondern ein eigenes Kunstwerk, in romantisierender, schlichter Form. So war nach der Renovierung die Dreiergruppe wieder hergestellt und doch unvollständig, denn die originale Christusfigur war noch im Besitz von Pfarrer Rieger.

Als 1964 Pfarrer Rieger starb, sollte die Kopie des Köngener Christus wie versprochen nach Oberriflingen kommen. Doch dann traten der Oberriflinger Pfarrer Schick und Pfarrer Zeller in Verhandlungen. Zeller wollte wenigstens die Kopie wieder in Köngen haben. Die Oberriflinger wollten sich darauf einlassen, wenn Köngen für die Kosten eines modernen Kruzifixus für etwa 3000 DM aufkommen würde.

Bei einer Kirchenbegehung 1965 wurde darüber gesprochen, wobei für Pfarrer Zeller klar war, dass wegen der schlechten Lichtverhältnisse die Orgel aus dem Chor entfernt und auf die Empore gestellt werden müsse.

Schon in der nächsten Sitzung beschließt der Kirchengemeinderat, dass die Kopie aus Oberriflingen nach Köngen kommen soll. Dafür wurde der "Henn-Christus" nach Oberriflingen getauscht.

Und die Orgel blieb, wo sie ist.

Nach Kirchengemeinderatsprotokollen und Gesprächen mit Baldwin Keck aufgezeichnet von Markus Eckert