Evangelische
Kirchengemeinde
Köngen
 
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20211114
14.11.2021
Konfi−Vorstellungsgottesdienst zum Thema "Wut" mit der Geschichte von Kain und Abel, Sonntag, 14. November 2021
Die 39 Konfirmandinnen und Konfirmanden haben zusammen mit Björn Winter, Birgit Scholz und Ursula Ullmann−Rau die Gottesdienste vorbereitet.
Alle Jugendlichen waren mit einem Beitrag beteiligt. Eine Band gestaltete ihn musikalisch mit. Herzlichen Dank allen Konfirmandinnen und Konfirmanden für diesen tollen gemeinsamen Gottesdienst.
Hier die Texte von Ursula Ullmann−Rau und das Anspiel der Jugendlichen:
Bist Du manchmal wütend? Kannst du, können sie zornig sein über jemand oder etwas? Mir fällt es schwer dieses Gefühl zu spüren. Ich habe als Kind gelernt: es ist nicht gut, so richtig wütend zu sein und mit dem Fuß aufzustampfen − schon gar nicht für ein Mädchen. Dabei sind Neid, Zorn, Wut Gefühle wie Zuneigung, Freude und Liebe oder auch Angst und Hoffnung. Sie fühlen sich aber nicht gut an. Und bei Neid, Wut und Zorn denken wir eher an die schlechten Seiten dieser Gefühle als an ihre guten.
Gott hat jede und jeden von uns mit all diesen Gefühlen als Mensch − als Adam − das heißt nämlich MENSCH − geschaffen.
Und wir vielen Adame leben mit all unseren Gefühlen. Und da Gott uns als Ebenbild Gottes gemacht hat, hat Gott sicher auch alle diese Gefühle. Daher sollen auch wir diese wahr nehmen und mit ihnen gut umgehen lernen. Für unseren Ärger, unsere Wut hat Gott ein offenes Ohr. Worte finden − das ist wichtig − etwas aussprechen, hilft die Gedanken zu sortieren. Die Band PUR ist heute bei euch nicht angesagt − eher bei uns Oldies, aber sie haben Worte gefunden und einen Song gemacht zur „WUT im BAUCH“, der wilden Energie − mit ihren wichtigen und gefährlichen Seiten, dass wir jetzt hören.
WUT hat so ein schlechtes Image, weil Aggressionen zu Gewalt und Tod führen können. Davon wird schon auf den ersten Seiten der Bibel erzählt. Aber Vorsicht: es sind keine alten Geschichten von früher.
Sondern hier wird von uns sehr unterschiedlichen Menschen gesprochen.
Oder vielleicht sollte ich besser sagen: in jeder und jedem von uns steckt etwas − mal mehr, mal weniger − von jedem dieser Typen. Adam − der Mensch − der sich von einer anderen Person den Apfel geben lässt und nicht nachfragt, ob das ok ist.
Eva − die Mutter allen Lebens − die stolz auf ihr erstgeborenes Kind ist. Da gibt es die nach außen Selbstbewussten, die sich als Gewinner sehen, immer oben stehen wollen &minus: Kain. Und die, die sich eher für unbedeutend halten − ich bin doch nichts Besonderes − was kann ich schon − Abel.
Die Geschichten am Anfang der Bibel erzählen von unserem Leben jetzt und heute. Und sie erzählen von einem Gott, der parteiisch auf der Seite der Schwachen steht und zugleich diejenigen, die Übles anrichten nicht verdammt sondern leben lässt. Unser Gott hat einen eigenen Namen − Jahwe − ich bin, der ich bin da − ich bin, der ich sein werde − ein geheimnisvoller Name − Gott, eine Energie, die wir nicht fassen und letztlich nie ganz verstehen können − Gott, Schöpfer und Freundin allen Lebens damals, heute und für alle Zeiten.
Dann zeigten die Jugendlichen ein Anspiel:
Person 1 steht auf der Bühne und liest auf dem Handy die News, dass Kain Abel erschlagen hat.
Person 2 kommt dazu.
P2: Hi
P1 schaut auf, P2 hält ihm zur Begrüßung die Faust hin. P1 sieht mitgenommen aus und schweigt.
P2: Ey was los, geht es dir nicht gut? Du machst ja ein Gesicht Alter.
P1: Hab das hier grade gesehen.
P1 hält P2 sein Handy hin, dieser schaut drauf.
Einblende von Handybild, "Bruderstreit eskaliert, einer der beiden schwer verletzt. Wird er das überleben?"
Stimme aus dem Off: NEWS, Bruderstreit eskaliert, einer der beiden schwer verletzt. Wird er das überleben? Gestern Abend ereignete sich in der Köngener Einkaufsstraße ein schweres Ereignis. Die beiden Brüder Kain und Abel stritten sich aus bis her unerklärliches Gründen. Schaulustige wussten zu berichten das der Ältere, Kain, nach einem heftigen Wortgefecht zwischen den beiden als erster zum Schlag ausholte. Wo genau dann aber der Stein her kam, der als Tatwaffe sichergestellt wurde, konnte bis jetzt noch nicht ermittelt werden. Die Polizei wollte zum laufenden Verfahren keine Aussagen machen.
P2: Was, nicht wirklich, oder?! Deshalb war Abel heute Morgen nicht bei der Deutschklausur. Krass, gestern war doch noch so gut drauf. Nach dem er Gott so ein erfolgreiches Rauch Opfer vorgestern Abend gebracht hat. Einfach nur krass! Du bist doch Dicke mit ihm, hat er was gesagt?
P1: Er meinte nur, dass sein Bruder sich mit ihm an der Dönerbude treffen wollte. Wir wollten uns gestern eigentlich noch treffen und ein bisschen abhängen. Aber er ist nicht aufgetaucht.
P2: Und du hast nichts mitbekommen?
P1: Ich habe mir nichts gedacht. Ich dachte Abel hätte bestimmt seine Gründe und wir würden uns ja heute Morgen in der Schule sehen.
Setzt sich auf den Stuhl und legt den Kopf in die Hände.
P1: Scheiße, hätte ich gewusst, wie ernst es ist, wäre ich gestern mit gegangen zu dem Treffen mit seinem Bruder.
P2: Ich dachte sein Bruder Kain wäre so ein cooler Typ. Immer am Start, wenn man ihn braucht. Die beiden wirkten immer als wären Sie wirklich dicke miteinander?
P1: Ach was, Kain hat Abel immer genervt. Abel hat mir erzählt, dass Kain ihn Zuhause immer gemobbt hat. Wollte immer der beste sein, von allem das meiste und hat ihm nichts gegönnt. Abel meinte noch das, das Rauch Opfer von Kain vorgestern Abend gar nicht von Gott angenommen wurde. Er hatte sich echt gefreut…
P1 schaut auf. Sein fiktiver Vater mit Auto ist gekommen, um ihn abzuholen.
P1: Ich muss jetzt, mein Vater fährt mit mir zu Abel ins Krankenhaus.
P1 hält P2 die Faust hin und Sie schlagen sich ab. P1 schaut P2 nach.
P2: So eine Ungerechtigkeit, es trifft immer die Falschen.
ENDE
So eine Ungerechtigkeit, es trifft immer die Falschen − sagt der Freund von Abel.
Ja, das Leben ist verdammt ungerecht!
Das denken auch Paolo und Silvia im Slum von Lima. Dort geboren zu werden und aufzuwachsen, oft nicht genug Geld zum Leben und schon gar nicht für neue Klamotten ist echt hart. Die Hütte haben sie mit einem Tuch in 2 Abteile getrennt. Mehr Platz ist jetzt zwar, weil ihr älterer Bruder von der Drogenmafia getötet wurde. Es ging mal wieder um Geld aus dem Kokainhandel mit den USA und Europa. Nun fehlt der Bruder.
Warum bin ich nicht in Nordamerika geboren worden oder in einer Villa hier in der Stadt. Das ist ungerecht! Schreien könnte ich vor Wut − aber das hilft alles nichts.
Oder Kinder im Kongo, die Coltan, seltene Erden und anderes für unsere Smartphones und Multimediageräte aus der Erde holen. Sie haben kaum genug zum Leben, wenn sie die Schufterei lange überleben. Mit dem Geld werden, das durch diese Kinderarbeit erzielt wird, werden dann auch noch Kriege geführt.
Warum lebe ich nicht in Deutschland oder wenigstens Europa. Verdammt ungerecht. Da muss ich hin!
Das Leben ist verdammt ungerecht! Das denken manche von euch vielleicht auch mit Blick auf eure Zukunft. Ob ich mal noch genug Rente bekomme wie meine Großeltern.
Oder muss ich bis 70 oder 75 Jahre arbeiten, um noch genug zum Leben zu haben?
Ob es noch Winter mit Schnee gibt in 50 Jahren zum Skifahren in den Alpen?
Das ist ungerecht! Das macht mich zornig!
So eine Ungerechtigkeit, es trifft immer die Falschen. Das sagen wir schnell so. Das ist auch bei manchen von euch das Gefühl in der Schule, wenn ihr euch von Lehrer:innen ungerecht behandelt fühlt.
So eine Ungerechtigkeit, es trifft immer die Falschen. aber ich denke − Vorsicht: es gilt immer auch genau hinzuschauen; und vor allem auch miteinander darüber zu reden.
Zum einen: Das Leben ist nie gerecht. Wir haben es gerade in der Szene auch gesehen:
Zwei Brüder Kain und Abel.
Kain wurde als Erstgeborener wohl immer bevorzugt. Das hat ihn stolz und überheblich werden lassen. Als dann Gott einmal den Abel bevorzugt hat, sein Opfer angesehen − wie auch immer wir uns das vorstellen können − da war Kain völlig frustriert. Ich bin doch Mamas Liebling. Ich muss auch Gottes Liebling sein. Wenn Kain wirklich selbstbewusst gewesen wäre, dann hätte er sagen können: Ja, mein kleiner Abel − gut, dass du auch mal Zuwendung abbekommen hast. Bist ja bisher immer schlecht weggekommen und hast nie aufbegehrt. Aber nein, diese Größe hatte Kain nicht. Er hat sogar zu wenig Selbstbewusstsein. Er muss von Gott Anerkennung erleben.
Zum anderen: Gott hat sich auf die Seite Abels gestellt und ihn gestärkt. Ich kann mir vorstellen, dass Gott wütend ist über Ungerechtigkeiten auf der Welt. Gott fragt nach Abel, dessen Tod Gott nicht verhindern konnte. Denn es sind ja wir Menschen, die handeln. Auch heute − wenn wir billig einkaufen, andere mobben oder auch nur kleinmachen, uns nicht kümmern, dass Menschen in anderen Ländern wegen des Klimawandels noch mehr Hunger leiden müssen oder ihr Land öfter überschwemmt wird.
Gott hat Kain noch ins Gewissen geredet − aber Kain konnte vor lauter Wut nichts mehr wahrnehmen. PUR singt: „Aggressionen ohne Richtung ohne Ziel, Und es wächst die Wut im Bauch Keine Lösung, kein Ventil Wie lange noch, bis der Kragen platzt Und bis die Faust sich ballt? Sie ist so hässlich und sie grinst eiskalt Die Fratze der Gewalt“
Wut kann eine zerstörerische Kraft sein und Wut ist eine positive Energie. Im Lied von PUR gibt es Vorschläge, was wir tun können, wenn die Wut in uns hochkocht. „Schrei‘ nur, schrei‘ Tob‘ dich aus zur Musik. Lauf‘ nur, lauf‘ Kämpfe, kämpf‘ um Dein Glück. Schrei‘ nur, schrei‘ für dein Recht Und tob‘ dich aus zur Musik. Lauf‘ nur, lauf um den Sieg. Und kämpf‘ ums Gl&uumL;ck, doch bitte tu‘ keinem weh.“
Das bedeutet für mich zum einen: Es ist gut, etwas zu haben, womit ich meine Wut abbauen kann. Hier mit diesem Boxsack − das kann z.B. beim Sport sein − oder wenn jemand mit dem Hund erst mal rausgeht. Der Boxsack erinnert mich an ein Konfi−Opferprojekt in Reutlingen. Ob es die Boxschule von Max noch gibt, weiß ich nicht. Aber dort konnten Kinder und Jugendliche, deren Eltern kein Geld für einen Verein hatten, kostenlos Boxunterricht und Training besuchen. Einmal haben Konfis das mit Geld bei ihrer Konfirmation unterstützt.
Aber das reicht nicht: wir müssen auch reden und zwar miteinander: Ich weiß ja nicht, wie das bei euch so ist, falls ihr Geschwister habt.
Wenn in der Familie von Kain und Abel davor schon mehr gestritten worden wäre über die Ungerechtigkeit, dann wäre es vielleicht besser ausgegangen. Ich würde mir für alle Abels wünschen, dass sie mal mit der Faust auf den Tisch hauen so wie die Frau auf einem Plakat. Sie sagt: „Ich bin nicht zu sensibel, zu wütend, zu laut, zu bestimmend, zu intensiv oder zu emotional.“
Gefühle rauslassen und stehen lassen können.
Und nicht um des lieben Friedens willen alles runterzuschlucken. Jetzt auch während der Pandemie: Warum tut die Politik nichts, wenn jetzt die Zahlen so steigen − sagen zornig die einen. Wieder Masken tragen müssen bald nächste Woche − sagen wütend die anderen.
Und dann gilt es miteinander ins Gespräch zu kommen, denn wir alle wollen ja möglichst bald raus aus der Pandemie. Argumente austauschen und aufeinander hören auf die Sorgen aller.
Wir Geschwister müssen einander erzählen, wie es uns geht und Wege suchen, dass alle ihr Recht auf ein gutes Leben umsetzen können. Das gilt auch fuuml;r Eltern und Kinder, Lehrer:innen und Schüler:innen − nie hat nur eine Person recht, alle sollen ihre Meinung sagen können. Denn Gott schenkt uns allen das Leben. Hier in Deutschland und überall auf der Welt. Wenn Gefühle erst einmal alle ausgesprochen sind, geht es oft schon besser.
Wenn der Druck abgelassen werden kann, finden wir neue Spielräume, finden sich auch Wege zum Frieden, können andere Perspektiven miteinbezogen werden. Dann kann in Ruhe überlegt werden, wo etwas verändert werden muss, wie die Belastungen gerechter verteilt werden können, wo wir anders handeln können, um Leben zu erhalten, wo wir je nachdem als Abel, das eigene Leben mehr oder als Kain das Leben anderer mehr achten sollten.
Und auch als Mensch ADAM und Mutter allen Lebens EVA den Blick über den eigenen Tellerrand raus zu den anderen nie vergessen.
Noch leben viele in Deutschland viel zu unbekümmert, aber viele Kinder und Jugendlichen sorgen sich auch hier um ihre Zukunft, werden laut und tragen ihre Wut nach draußen, ja, wie PUR singt: „Benutz? Deine Wut und saug daraus Kraft ‘Ne wilde Energie Aus Hitze im Blut wird Strom gemacht. Du musst nur wissen, wie.“
Ich bin den jungen Leuten von Fridays for Future dankbar und allen, die ihre Wut nutzen, damit sich auf unserer Erde zum Wohle von Menschen etwas zum Guten ändert. Denn ich meine: Gott ist auch wütend und ermutigt uns wie PUR „Schrei‘ nur, schrei‘ für dein Recht Und kämpf‘ ums Glück, doch bitte tu‘ keinem weh.“
Ihre/Deine Pfarrerin Ursula Ullmann−Rau