Evangelische
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Köngen
 
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20220327
27.03.2022
Trost und Mut in einer Lage zum Verzweifeln
Liebe Gemeinde!
„Eine Weltlage zum Verzweifeln“, so betitelte der Deutschlandfunk letzte Woche einen Beitrag zur Krisenberichtserstattung. Nicht erst nachdem die Corona−Verzweiflung durch die verzweifelte Lage der Ukraine abgelöst wurde und die Klimakrise darf nicht vergessen werden − nimmt die Angst zu. Bereits dem Apostel Paulus erging es so, als er zusammen mit seinem Mitarbeiter Timotheus in der Provinz Asia unter Druck kam: „Wir wollen euch nämlich, liebe Brüder und Schwestern, nicht in Unkenntnis lassen über die Bedrängnis, die in der Asia über uns gekommen ist: So schwer und unsere Kräfte weit übersteigend ist die Last, die uns auferlegt wurde, dass wir sogar am Leben verzweifelten.“ (2 Kor 1,8) so sagt es Paulus in dem Vers nach unserem Predigttext.
Es hatte ihn ganz schön heftig getroffen:
Er war geschlagen worden, hatte Unfälle erlitten, oft nichts zu essen gehabt, sogar ins Gefängnis hatte man ihn geworfen. Und dann fingen auch noch andere an gegen ihn zu hetzen. Sie beleidigten ihn und machten ihn vor anderen schlecht. Er wollte von seinem Glauben an Jesus erzählen und wurde lächerlich gemacht, weil er schlecht reden konnte und sein persönliches Auftreten glanzlos war. Sogar die Unterschlagung von Kollekten−Geld wurde ihm vorgeworfen.
Was alles auf diesen Menschen, auf Paulus, einprasselte! So viel Leid!
Auf manche Menschen scheint es ja doppelt und dreifach niederzugehen. Niemand hat das verdient. Schrecklich, miterleben zu müssen, dass bei einem Menschen immer wieder etwas Schweres ins Leben kommt. Paulus verschweigt nicht, dass er manchmal nahe dran war, an seinem Leid zu zerbrechen. So sagt er: „Die Bedrohung ging über unsere Kraft, so sehr, dass wir am Leben verzweifelten“ − heißt es in einer anderen Übersetzung.
Es hatte ihn ganz schön heftig getroffen.
Doch wie kann Paulus damit leben, mit all den Problemen und all den Anfeindungen? Die gute Nachricht ist: Paulus findet für sich eine Lösung. Paulus ist nicht versunken, er findet Wege mit seinem Leid umzugehen. Spannend fand ich, dass es unterschiedliche Übersetzungen gibt, die verschiedene Schwerpunkt hervorheben, die wir Menschen in Krisensituationen brauchen. Als Schriftlesung haben wir den Text aus der Lutherübersetzung gehört. Es ist 2. Korinther 1, 3−7. Dort lobt Paulus Gott, der uns tröstet in aller unserer Bedrängnis, damit wir auch trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.
Dieser Vers lautet in der Übersetzung der Basisbibel: Gott ermutigt uns in all unserer Not. Und so können auch wir anderen Menschen in ihrer Not Mut machen. Wir selbst haben ja ebenso durch Gott Ermutigung erfahren.
Dass Menschen uns ermutigen und trösten − beides brauchen wir in unserer aktuellen Lage und überhaupt immer wieder im Leben. Wann brauchen wir oder andere Mut? Wann Trost? Am einfachsten ist der Unterschied vielleicht im Blick auf eine Aufgabe ausgedrückt − nehmen wir mal die Schule − das kennen auch die noch, die längst alle schulischen Prüfungen geschafft haben. Mut brauchen wir vor einer Klassenarbeit, wenn die Sorge da ist, nicht allen Stoff zu wissen oder mal wieder ein Blackout zu haben. Trost brauchen wir nach einer Klassenarbeit, die nicht gut gelaufen ist. Mut brauchen wir auch in neuen Situationen, die wir noch nicht kennen und die mich daher unsicher machen. Trost brauchen Menschen, wenn sie traurig sind, zum Beispiel wenn jemand gestorben ist oder wenn ich einen Fehler gemacht habe, der nicht mehr rückgängig zu machen ist. Trost brauchen alle, die ihre Heimat verlassen mussten und sie brauchen auch Ermutigung. Denn Mut brauchen wir, wenn eine neue Aufgabe bevorsteht: der Ruhestand beginnt, der Umzug in eine andere Wohnung oder ins Pflegeheim ist nötig, die Ärztin hat mir dringend geraten, meine Art zu leben zu ändern.
Gott ermutigt uns in all unserer Not.
Und so können auch wir anderen Menschen in ihrer Not Mut machen. Wir selbst haben ja ebenso durch Gott Ermutigung erfahren. oder anders übersetzt:
Gott tröstet uns in aller unserer Bedrängnis, damit wir auch trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.
Ich bin an diesem Satz hängen geblieben. Wie schön, wenn wir so etwas sagen können! So selbstverständlich klingt das. Wie kann so ein Trost aussehen? Wie können wir anderen Mut machen oder selber ermutigt werden. Menschen erzählen z.B. nach einem Trauerfall von anderen, von Verwandten, Nachbarn, Freundinnen, Enkelkindern: „Das war ein Trost, dass die da waren; dass ich nicht alleine war“. Ein junger Mann sagte mal: „Als meine Oma starb, wollte ich gar nicht reden. Mein Freund holte mich einfach ab zum Handball − wie sonst. Das tat gut.“ Eine chronisch kranke Frau erzählte: „Jetzt bin ich schon so lange krank, aber mein Mann hält immer noch zu mir.“
Gott schickt uns Mitmenschen − das kann ein Trost sein, dass ich spüre: ich bin nicht allein. Andere tragen meinen Kummer mit.
Menschen können da auch ermutigen: Ich begleite dich zu einem wichtigen Arztgespräch. Ich hole dich immer dienstags ab und wir gehen in den Römerpark zur Gymnastik, da dein Arzt dir Bewegung verordnet hat. Trost und Ermutigung können also ganz unterschiedlich aussehen. Und es ist persönlich sehr unterschiedlich, was Menschen noch guttut kann.
Manche tröstet Musik, die sie mögen. Andere brauchen auch mal das Alleinsein. wieder andere ihr Lieblingsessen.
Trost gibt es auch, wenn mich jemand einfach nur umarmt oder sich überhaupt jemand um mich kümmert. Oft wirkt Gott auch durch unsere Mitmenschen: Nachbarn, die aushelfen, wenn es bei mir drunter und drüber geht. Verwandte, die Zeit haben, Arbeitskolleginnen, die einspringen, wenn es mir schlecht geht. Das ist ein Trost für mich. Und mir fallen Selbsthilfegruppen ein. Erfahrungen von Leid werden dort geteilt und weitergegeben, aber auch von Möglichkeiten damit müglichst gut zu leben. „Wie hast du das geschafft? Wo hast du dir Hilfe geholt?“ „Was mache ich wenn mein Arbeitgeber kein Verständnis hat?“ Solche Nöte und Erfahrungen teilen zu k¨nnen, ist oft ein enormer Trost.
Gott tröstet und ermutigt uns in all unserer Not.
Es tut vielen auch gut, Gott selbst zu erzählen, was ihr Leben schwer macht oder welche neue Herausforderung nun ansteht.
Allein schon das Leid oder die Sorge nicht verschweigen müssen, kann ja erleichtern. Wenn es im Grunde keinen Trost gibt, kann es tröstlich sein, genau das sagen zu dürfen.
Gott tröstet und ermutigt uns in all unserer Not.
Für Paulus liegt ein großer Trost darin, sich zu erinnern: Auch Jesus musste leiden. „Denn das Leid, das Christus erlebt hat, wird zwar auch uns in reichem Maß zuteil. Aber genauso erfahren wir in reichem Maß auch die Ermutigung, die er schenkt.“ (2. Kor 1,5)
Wenn ich leiden muss, heißt das also nicht: „Gott liebt mich nicht. Ich bin schlecht. Ich habe Fehler gemacht.“
Mit solchen oder ähnlichen Gedanken plagen sich Menschen ja manchmal quälend herum.
Wenn ich leiden muss, darf ich mich erinnern: Auch Jesus, musste leiden, daran führte kein Weg vorbei. Wir sind also, wenn wir leiden müssen, in guter Gemeinschaft − wenigstens das!
Wir haben einen Gott, der Leiden kennt.
Wenn die Situation in der Welt zum Verzweifeln ist, heißt das nicht, dass es keinen Gott gibt. Das fragen sich Menschen heute ja auch, wo ist nun Gott in dieser "Weltlage zum Verzweifeln"? Gott ist da in den Kellern und U−Bahnschächten bei den Menschen in Mariupol. Gott ist bei denen dabei auf der Flucht oder in den Dürregebieten Afrikas. Gott ist bei den Helfenden, die Tag und Nacht arbeiten, die Not ein wenig zu lindern. Und Gott ist bei denen, die verzweifelt versuchen, Wege zu finden, um Krieg und Hunger zu beenden
Gott tröstet und ermutigt uns in all unserer Not.
Weil wir darum wissen, dass Gott mittendrin ist und sich von der Not der Menschen berühren lässt, können wir beten wie vorhin:
„Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen?“ (Psalm 27,1)
Und mit dieser Ermutigung im Herzen und Gott an meiner Seite kann ich auch für andere etwas tun, kann Trost spenden oder Menschen ermutigen.
In Bezug auf die Menschen in der Ukraine ist das bei mir zum einen das Spenden von Geld und das Beten, aber auch das Einsparen von Energie und der Verzicht aufs Auto, wo es mir möglich ist. Autofreie Sonntage fände ich ein tolles Zeichen der Ermutigung, dass wir nicht bereit sind für Putin den Krieg zu finanzieren.
Gott tröstet und ermutigt uns in all unserer Not.
Wir feiern heute Lätare, den Sonntag in der Passionszeit, der uns Hoffnung und Vorfreude auf Ostern, auf die Auferstehung bringen möchte. Wir dürfen Gott damit in den Ohren liegen: Wo ist dein Trost? Wo bist du jetzt? Lass Ostern wahr werden, schon jetzt in meinem Leben! In der Hoffnung, dass Gott antwortet und Trost oder Ermutigung bei Menschen ankommen.
Wenn ich die weiteren Worte des Paulus bedenke, verstärkt sich die Hoffnung, dass es Trost und Ermutigung geben kann. Paulus lässt uns teilhaben und spricht: „Und wenn wir ermutigt werden, so geschieht auch das, damit ihr neuen Mut schöpft. Mit dessen Hilfe könnt ihr geduldig dieselben Leiden ertragen, die auch wir ertragen müssen.“ (2. Kor 1,6b) Dieser Trost schafft Leiden nicht einfach aus der Welt, aber hilft, dass Menschen nicht zerbrechen. Dass Menschen auf so viele Weisen bedrängt sind, können wir vielfach nicht verhindern, aber wo wir dazu beitragen, dass Menschen nicht zerbrechen, lassen wir Gottes Trost und Ermutigung aufschimmern. Gottes Geisteskraft gebe uns die Kraft und die Phantasie dazu, wünsche Euch und Ihnen Pfarrerin Ursula Ullmann−Rau