Evangelische
Kirchengemeinde
Köngen
Predigt Pfingsten 2020 Prälatin Arnold
Predigt zu Pfingsten 2020
von Prälatin Gabriele Arnold
Unvorstellbar, dass der Köngener Pfingstmarkt ausfällt. So habe ich es auf der Homepage ihrer Kommune gelesen. Undenkbar… denn sogar in den beiden Weltkriegen gab es den Köngener Pfingstmarkt. Und nun ist es tatsächlich so. Corona verändert unseren Alltag und unsere Freizeit. Corona ist allgegenwärtig. Es fordert unsere ganze Aufmerksamkeit und fordert von uns auf liebgewordenes zu verzichten. Und Corona macht uns Angst, den einen mehr den anderen weniger. Heute an Pfingstmontag in Köngen spüren wir wie Corona in unseren liebgewordenen Gewohnheiten eingreift. Aber auch wenn vieles nicht geht, geht manches anders. Sie als Kirchengemeinde haben sich entschieden das Erinnern an eine besondere Pfingstmontags Tradition trotzdem zu feiern. Nun eben nicht am Nachmittag im Gemeindehaus, sondern hier in der Kirche am Morgen mit zwei Gottesdiensten. Wir erinnern uns an eine Zeit, in der die Menschen auch Angst hatten. Aber das war eine andere Angst. Es war nicht die Angst vor einem Virus, es war Angst vor Denunziantentum, Angst vor Terror und Tod. Es war die Angst vor den Nazischergen, die Tod und Verderben über alle brachten, die sie für lebensunwert erachteten aber auch über alle, die es wagten, sich dem Terror Regime zu widersetzen. Das war berechtigte Angst vor Willkür und Diktatur. Angst vor den grausamen Verbrechen an Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Sozialisten und Schwulen und an Christen. Aber es gab nicht nur Angst. Es gab auch Mut und Kreativität und gab es immer Menschen, die nach der Wahrheit suchten und nicht auf die Lügen der Nazis hörten. Und die Christen, die sich dem Unrecht widersetzten fanden Mut und Klarheit auch in der Bibel und bekamen von dort Richtschnur und Weisung. Diese Menschen waren Pfingstmenschen, denn gegen den Ungeist der Nazis und den Geist des Todes setzten sie auf den Heiligen Geist auf den Geist Gottes, der ermutigt, der uns in die Wahrheit führt und der das Leben ermöglicht. Das ist die Botschaft von Pfingsten. Gott kommt in seinem Geist und dieser Geist ermutigt und tröstet und macht stark. Damals an jenem ersten Pfingsten in Jerusalem wurden aus verängstigten Menschen, die sich versteckten und vor der Staatsmacht zitterten, aufrechte und fröhliche Männer und Frauen. Die Türen und Fenster werden aufgerissen und der Wind der Freiheit wehte durch Jerusalems Gassen. Und der Geist, der zur Wahrheit führt, der ermutigt und stärkt und bewegt ist geblieben. Durch die ganzen 2000 Jahre der Kirchengeschichte ist der Geist immer wieder gekommen und hat Menschen befeuert und ermutigt und zusammengeschlossen.
Immer gab es mutige und geisterfüllte Menschen, die in der Kraft des Heiligen Geistes gehandelt haben und wenn nötig Widerstand geleistet haben. Mit Worten und mit Taten. Hier und heute daran zu erinnern heißt, an die mutige Pfarrfamilie Stöffler zu erinnern. Von 1927 bis 1947 waren die Stöfflers in Köngen. Sie haben hier im Pfarrhaus Jüdinnen und Juden versteckt und nach wenigen Tagen weitergeschickt in andere Pfarrhäuser, wo sie wieder einige Tage beherbergt wurden und durch die sogenannte württembergische Pfarrhauskette außer Landes geschmuggelt werden konnten oder in Verstecken den Naziterror überlebten. Hier in Köngen saßen mit den mutigen Stöfflers eine der Hauptverantwortlichen der Pfarrhauskette. Und das war kein Spiel und kein Spaß. Es war lebensgefährlich für alle Beteiligten. Aber offenbar war da der Heilige Geist am Werk. Der Geist, der zur Wahrheit führte und Stöfflers und vielen andere schon früh die Barbarei, Menschenverachtung und Gottlosigkeit der Nazis erkennen ließen. Und es war der Geist der Freiheit, der sie und andere innerlich frei und mutig machte zu handeln. Denn es gab ja nicht nur die Pfarrhauskette. Wir haben vorhin gehört, wie unglaublich schlau sich die Stöfflers den Pfingstmarkt zunutze machten. In dem ergreifenden Bericht von Ursula Stöffler wird deutlich, dass nicht nur die Pfarrleute Stöffler mutige, vom Geist Gottes bewegte Menschen waren, sondern viele, viele andere auch, denn ohne die Unterstützung so vieler hier aus dem Ort und sicher auch aus den umliegenden Orten wäre das nicht möglich gewesen. Erinnern heißt also heute auch, DANKE sagen. Danke sagen den vielen Menschen und Danke sagen dem Geist Gottes, der hier am Werk war.
Der Heilige Geist ist die große Kraft der Ermutigung. Gottes Geist machte die Menschen damals mutig und er macht uns mutig uns. Der Geist hilft uns standzuhalten und aufzutauchen aus Angst und Resignation: „Da kann man nichts machen“, ist ein geistloser Satz und somit ein zutiefst gottloser Satz. Wir können etwas tun. Wir können glauben und hoffen und beten. Wir können Corona nicht aus der Welt schaffen aber wir können besonnen sein und Rücksicht nehmen. Wir können handeln. Und sei es mit kleinen Schritten. Es ist eben nicht egal, was ich einkaufe und wo. Es ist gerade jetzt nicht egal, ob ich alles im Internet bestelle oder hier vor Ort den Einzelhandel unterstütze. Ich entscheide. Und es nicht egal, ob ich auch jetzt meinen Geldbeutel für die Armen öffne oder nicht und es ist auch nicht egal, was ich denke, und wie ich rede. Gerade jetzt ist es nicht egal. Jedenfalls ist der Heilige Geist dazu da, uns aufzurütteln und wach zu halten und den Mut nicht zu verlieren und die Wahrheit nicht zu verfälschen. Wenn ich an die Verschwörungstheorien denke oder an die Stimmen, die die Maßnahmen der Regierung mit der Diktatur der Nazis vergleichen, dann ist da ein Ungeist am Werk, dem wir energisch entgegentreten müssen. Wer heute Freiheiten einschränkt, tut das, um Leben zu schützen und nicht wie damals, um Leben zu vernichten. Keiner von uns war auf so etwas vorbereitet und sicher sind Fehler gemacht worden und sicher hat die Politik Familien und Alte Menschen über Gebühr belastet. Das darf man sagen und muss man sagen in einer Demokratie. Aber Vorwürfe und einseitige Schuldzuweisungen helfen niemandem. Und so ist auch nicht wahr, was ausgerechnet die ehemalige Pfarrerin und ehemalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht behauptet, dass die Kirche sich in den Coronazeiten mutlos weggeduckt und 1000nde allein gelassen hat. Ja, wir haben auf Corona reagiert und vieles abgesagt. Aber unsere Pfarrerinnen und Pfarrer haben weiterhin Besuche gemacht, wo immer dies nötig war. Sie haben telefoniert und geschrieben, saßen vor Pfarrhaus und haben Gespräche geführt, Konfirmandinnen und Konfirmanden haben für alte Menschen eingekauft und vieles andere mehr. Wir hatten und haben die Kirchen geöffnet und überall im Land gab es online Gottesdienste, Gottesdienst to go, Kinderkirche to go und andere kreative Ideen. Sicher hätten wir manches besser machen können und bestimmt haben auch wir Fehler gemacht, aus denen wir lernen können. Auch wir in der Kirche sind nicht irrtumslos. Aber wir haben uns nicht weggeduckt, sondern da war viel Kreativität und viel neue Energie. Da war und ist viel Heiliger Geist. Auch hier in Köngen bei Ihnen. Noch ist kein Ende der Coronapandemie in Sicht. Wir brauchen noch lange Mut und Kreativität und Wahrheit und zugleich Besonnenheit und Fürsorge und Mitmenschlichkeit. Dabei wird uns der Heilige Geist unterstützen. Wir sind nicht geistlos und gottverlassen. Gottes Geist kommt und schenkt jedem von uns, was er oder sie braucht und was allen zugutekommt.
Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen. Durch einen jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller. Dem einen wird durch den Geist ein Wort der Weisheit gegeben; dem andern ein Wort der Erkenntnis durch denselben Geist; einem andern Glaube, in demselben Geist; einem andern die Gabe, gesund zu machen, in dem einen Geist; einem andern die Kraft, Wunder zu tun; einem andern prophetische Rede; einem andern die Gabe, die Geister zu unterscheiden. Dies alles aber wirkt derselbe eine Geist, der einem jeden das Seine zuteilt, wie er will. (1. Korinther 12, 4−11)
Prälatin Gabriele Arnold