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20220515
15.05.2022
Kantate 15. Mai 2022 Predigt zu Kolosser 3, 12−17
Liebe Gemeinde,
was soll ich nur anziehen?
War dies heute auch schon Deine oder Ihre Frage?
Was soll ich nur anziehen?
Diese Frage stellt sich immer wieder.
Manche und mancher steht jeden Morgen vor dem Schrank
und fragt sich so:
was soll ich nur anziehen?
Ich habe gar nichts zum Anziehen!
was ja angesichts des gefüllten Schrankes nun wirklich nicht stimmen kann.
Was soll ich nur anziehen?
Viele treibt diese Frage um:
gestern waren 2 Trauungen und eine diamantene Hochzeit −
an den nächsten beiden Wochenenden feiern wir die Konfirmation von 41 Jugendlichen.
Am Beginn eines neuen Lebensabschnittes steht oft ein Fest. Übergänge wollen gefeiert werden.
Wir feiern Geburtstage und Jubiläen, den Schuljahresanfang und das Schuljahresende, Taufe, Konfirmation und Trauung, den Einstieg ins Berufsleben und das Ausscheiden aus dem Arbeitsalltag.
Dabei stehen Dank und Bitte im Vordergrund.
Der Dank für das Gewesene und die Bitte um Gottes Mitgehen auf den neuen Wegen.
Lebensübergänge sind gerade deshalb in besonderer Weise emotional. Sie bringen in uns Gefühle in Bewegung und wirken in den Alltag hinein.
Bei der Feier solch eines Übergangs, wird oft auch gesungen.
Denn Singen tut der Seele gut.
Und wie sehr gerade auch unsere Gottesdienste von der Musik leben, hat uns die Pandemie gelehrt. Singen bringt uns in der Ganzheitlichkeit unserer Existenz zum Schwingen.
„Wer singt, betet doppelt“, sagte einst der Kirchenvater Augustin.
Und in der Tat bringt uns Singen in die Nähe Gottes.
Gemeinsame Lieder öffnen unseren Blick für Gott, für uns selbst und für andere.
Denn miteinander tauchen wir ein in Melodie und Wort, werden eins mit der Musik und spüren, wie sie in die tiefsten Schichten unserer Seele vordringen und uns verändern kann.
Singen verleiht der Seele Flügel.
Singen erhebt dich und mich ein wenig, macht den schwersten Moment etwas leichter.
Darum: Kantate! − Singt „mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern […] Gott dankbar in euren Herzen.“
Der heutige Predigttext spricht von Kleidern und vom Singen. Deshalb ist er wohl neu für Kantate ausgewählt.
Ich kenne den Text aus dem Kolosserbrief vor allem als eine der Lesungen bei der Trauung.
Hören wir auf die Worte des Apostels Paulus aus dem Brief an die Gemeinde in Kolossä: Kolosser 3, 12−17
12So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; 13und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! 14Uuml;ber alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. 15Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar. 16Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. 1zUnd alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.
Also: was soll ich anziehen?
Fangen wir zunächst mit dem ersten Satz an.
Hast du es, haben sie es wahrgenommen − bevor hier gesagt wird, was ich anziehen soll, wird mir gesagt:
wer ich bin!
Du bist die Auserwählte Gottes, die Heilige und Geliebte;
du bist der Auserwählte Gottes, der Heilige und Geliebte!
Das darf jede und jeder von uns auch über sich selber sagen:
Ich bin die Auserwählte Gottes, die Heilige und Geliebte − das ist wahrlich mehr als ich mir selbst sagen kann.
Gott liebt mich und dich bedingungslos.
Und weil Gott mich liebt + mir vergibt, soll ich vieles anziehen:
„Herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.“
Puh! Wer soll denn das schaffen?
Da hören wir Erwartungen, die uns überfordern.
Klar, finde ich vieles gut.
Doch in den Mühen des Alltags verliere ich so oft die Geduld und die Freundlichkeit. Ich bin leicht beleidigt, verletzend, nachtragend.
Bitte hören Sie, hört nicht den hohen Anspruch, dem Menschen so oft nicht gerecht werden!
Hören wir vielmehr die Zusage, was Christus mit uns vorhat, wozu wir bestimmt sind!
Obwohl wir ihm so wenig entsprechen, nimmt Christus uns an.
Wir sind dazu bestimmt und begabt, dass wir wertschätzend miteinander umgehen.
Wenn mir jemand zutraut, dass ich meine Sache gut mache, und das auch zeigt, das hilft enorm.
Und umgekehrt: wenn jemand nur darauf wartet, dass ich Fehler mache, bin ich wie blockiert.
„Herzliches Erbarmen“ heißt ja auch: keine und keiner muss perfekt sein; ich ertrage, dass der andere meinen Erwartungen nicht entspricht; ich sage, was mich stört, ohne den anderen klein zu machen.
Gott sieht uns liebevoll an und erwartet Gutes.
So lernen wir, uns selbst und andere anzusehen.
Wir haben die Verheißung und das Ziel, dass wir zu seinem schönen Kleid passen werden.
Wir werden Christus ähnlich!
Ja, das Band der Liebe macht alles vollkommen.
Dann ist also alles klar! oder nicht?
Wenn wir das alles anziehen und darüber die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit, dann kann nichts schiefgehen.
Leider ist das nicht so einfach!
Denn ich sage es nochmals:
Was der Text "Vollkommenheit" und "Erfüllung" nennt, ist für unvollkommene Menschen gedacht.
Manchmal sind wir weit weg sind von uns selbst und einem erfüllten Leben.
Manchmal ist das Innere stärker als das, was wir drüberziehen wollen. Wir können nicht aus unserer Haut.
Ich denke, gerade deshalb wird so intensiv von der Vergebung gesprochen in diesem Text: „Vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“
Aber auch Vergebung kann ich nicht vom anderen und von der anderen einfordern, sondern muss sie selber erst mal lernen und üben − gerade an mir selbst − und das ist oft nicht einfach.
Die Vollkommenheit zeigt sich darin, wie wir mit unserer Unvollkommenheit umgehen, mit der Unvollkommenheit des anderen und zuallererst mit der eigenen Unvollkommenheit.
Deshalb ist dies beim Abendmahl so wohltuend:
jede und jeder darf kommen so stark und unvollkommen, so schwach und begabt zum Abendmahl. Vor Gott brauchen wir keinen Fehler verstecken. Gott dürfen wir sagen, was uns umtreibt und dann loslassen und fröhlich mit Gott und anderen feiern.
Lassen wir uns zunächst von Gottes Liebe einkleiden, lass dir Gottes Liebe zugesagt sein und dann schenkt einander als trotzdem und weiterhin unvollkommene Menschen etwas von dieser Liebe weiter.
„Seid dankbar“, wenn es gelingt und ringt darum, wenn es schwer ist.
Der Kolosserbrief denkt von Ostern her.
Schon jetzt sind wir geprägt durch die Auferstehung Jesus Christus.
Heute ist der 4. Sonntag nach Ostern: Kantate! Singt!
Wir singen vom Sieg Gottes über alle Todesmacht.
In jedem Gottesdienst setzen wir den Osterjubel fort.
Wunderbar groß ist die Liebe Gottes, so singen Kleine + Große.
Wir singen auch beim Tod eines Menschen von unserer Hoffnung: Jesus lebt, mit ihm auch ich.
Wer singt, betet doppelt.
Wir singen schon mehr, als wir von uns aus sagen können.
Wir leihen uns die Lieder derer, die vor uns glaubten, und wir singen mit denen, die mit uns glauben.
Wer für Gott singt, dankbar im Herzen, ist Gott zugewandt, nah bei Gott und auch bei sich selbst.
Auch das können wir nicht selbst herbeiführen. Es wird uns geschenkt. Aber es kann uns widerfahren. Gottes Geist öffnet uns Herz und Mund. Dann wird leicht, was uns bedrückt. Dann erahnen wir singend und hörend, jubelnd und tanzend die Schönheit, mit der Gott uns umgibt.
Kommt mit Gaben und Lobgesang, jubelt laut und sagt fröhlich Dank. Er bricht Brot und reicht uns den Wein, fühlbar will er uns nahe sein − mit einem Calypso aus Jamaica lassen wir uns singend beschwingen, bevor wir miteinander Abendmahl feiern.