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20240630
30.06.2024
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Predigt am 5. Sonntag nach Trinitatis Festgottesdienst 300 Jahre Kirchturm Köngen Pfarrer i.R. Gerhard Frey−Reininghaus |
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Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder! |
Vor 300 Jahren: wir schreiben das Jahr 1724. In Köngen bereitet man sich auf ein großes Ereignis vor: die Einweihung des Kirchturms der Peter− und Paulskirche. Für die damalige Köngener Gemeinde und ihren Pfarrer Daniel Pfisterer ein großes Ereignis. Lange hatte man gehofft, dass die Peter− und Paulskirche einen Turm erhält. Doch dann hatte man die Hoffnung schon fast aufgegeben. Und nun hat es doch noch geklappt. Nach zwei Jahren Bauzeit wird der Turm eingeweiht. Seit 1699 war Daniel Pfisterer schon Pfarrer in Köngen, also 25 Jahre! So wird der neue Turm für ihn zum Jubiläumsgeschenk. |
Viele haben sich an der Finanzierung beteiligt. Das war schon damals eine Stärke der Köngener. Wenn sie etwas erreichen wollen, dann halten sie zusammen. Und auch die Ortsherren haben sich beteiligt. Vor allem Wilhelm Ludwig Thumb von Neuburg. 1000 Gulden hat er für den Turm gespendet. Aber auch der andere Ortsherr, das Herzogtum Württemberg, mit Herzog Eberhard Ludwig (1677−1733) an der Spitze. Eberhard Ludwig war wesentlich sparsamer. Er gab gerade einmal 100 Gulden. Doch zu seiner Ehrenrettung müssen wir sagen: er hat eine Sammlung in Württemberg für den Köngener Kirchturm genehmigt. Und so hat sich ganz Württemberg am Projekt "Köngener Kirchturm" beteiligt. Und wie schön, dass Daniel Pfisterer gleich die Kirche mit dem neuen Turm gezeichnet hat. So haben wir ein wunderschönes Zeugnis der Peter− und Paulskirche mit dem neuen Turm und das gleich im Jahr der Fertigstellung des Turms: 1724. Und Pfisterer hat unter sein Bild gedichtet: |
Wer diesen Thurm hie siht tieff in der Erden stehen, und mit der Spitzen doch hinauff gen Himmel sehen; der sei darauf bedacht, wie er sein Sinn und Hertz von allem Irrdischen auffrichte Himmelwerts. |
Das alles geschah damals im evangelischen Württemberg. Fünfhundert/sechshundert Kilometer weiter im Osten, in Prag, in Böhmen und Mähren, war es zu dieser Zeit streng verboten, evangelisch zu sein. Wer sich zu seinem evangelischen Glauben bekannte, der wurde verfolgt und oft eingesperrt. Evangelische mussten heimlich ihre Gottesdienste feiern − im Wald, in Höhlen oder auch im Stall. Und gerade in den Jahren, in denen der Köngener Kirchturm gebaut wurde, liegen die Anfänge der Erneuerten Brüderunität, die in der Oberlausitz ihren Anfang nahm. Graf Zinsendorf erfuhr von der Unterdrückung der Evangelischen in Böhmen und Mähren − und besonders von der Not der Böhmischen Brüder. Und so lud er sie ein, auf seinem Gut einen neuen Anfang zu machen. Als in Köngen im Jahr 1722 der erste Spatenstich für den neuen Turm gemacht wurde, kam der erste Exulant aus Mähren in die Oberlausitz. Am 17. Juni 1722 fällte der mährische Zimmermann Christian David den ersten Baum zum Bau von Herrnhut. |
Nur neun Jahre später, im Jahr 1731, begann hier eine Tradition, die sich bis heute erhalten hat. Es begannen die Herrnhuter Losungen, die also fast so alt sind wie unser Kirchturm. Für jeden Tag des Jahres wird in Herrnhut, im Osten Sachsens, ein Bibelvers aus einer großen Schüssel gezogen, wie ein Los. Daher kommt der Name der Herrnhuter Losungen. Die Losung ist ein Bibelvers aus dem Alten Testament. Dazu wird ein Bibelvers aus dem Neuen Testament ausgewählt. Das ist der sogenannte Lehrtext. Beide Texte finden wir im Losungsbüchlein, das von vielen Menschen auf der ganzen Welt bis heute täglich gelesen wird. Heute gibt es die Losungen natürlich auch als App für das Handy. |
Als Predigtext für den heutigen Festgottesdienst habe ich den Lehrtext für den heutigen Sonntag ausgewählt, ein Vers aus dem 1. Timotheus−Brief, den viele von Ihnen kennen werden. Dieser Vers ist auch ein schöner und beliebter Konfirmationsspruch: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ |
Wie passt dieser Bibelvers zum Jubiläum unseres Kirchturms? |
Das beginnt schon mit dem ersten Wort: Gott. Gott steht am Anfang. Als der Schöpfer der Welt, Schöpfer von uns Menschen wie den Tieren und Pflanzen − bis hin zum Universum. Einfach alles hat seinen Anfang in Gott. Und genau darauf will uns der Kirchturm hinweisen. In den Worten von Daniel Pfisterer: die Spitze des Turms weist uns gen Himmel. Und so sagt Pfisterer: sei darauf bedacht, Sinn und Herz von allem Irdischen himmelwärts aufzurichten! So wird uns der Turm zur Einladung, aufzuschauen zu Gott, der über unserem Leben steht. Der Turm als Einladung zum Glauben! Die Erinnerung daran: es gibt nicht nur unser Leben und unsere Sorgen und Freuden. Es gibt diese andere vertikale Dimension, wie man manchmal sagt. Die uns auf Gott hinweist. |
Wenn wir zum Kirchturm hochschauen, dann sind da noch weitere Dinge, die zum Turm gehören. Da ist die Uhr, früher noch viel wichtiger als heute, wo die meisten von uns eine Armbanduhr haben. Doch das war früher anders. Die Kirchturmuhr war für viele eine wichtige Hilfe zur Einteilung des Alltags − vom Morgen bis zum Abend. Stunde um Stunde zeigt der Schlag der Glocke die Stunden an. Fünf Glocken hängen in unserem Kirchturm. Die bekannteste Glocke unter ihnen ist natürlich die Sauglocke, ist sie ja auch der Mittelpunkt des Köngener Wappens. |
Liebe Gemeinde! |
Doch was ist die Botschaft des Kirchturms und der Glocken? |
Hören wir nochmals auf unseren Lehrtext: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ |
Am Anfang steht also, was uns Gott nicht gibt: den Geist der Furcht! |
Gott will nicht, dass wir uns fürchten. |
Das ist eine gute Nachricht, die freilich viele nicht verstanden haben. Denn sie verbinden Gott gerade mit Furcht und Strafe. Sie haben Angst vor Gott, der alles sieht und vor allem straft. Doch das ist nicht der Gott, der Vater Jesu Christi, auf den wir getauft sind. |
Deshalb wenden wir uns dem Dreiklang zu, der beschreibt, was Gott uns gibt: Kraft, Liebe und Besonnenheit. |
Kraft. Lebenskraft, Schaffenskraft. Das ist ein Geschenk, aus dem wir unser Leben gestalten können. Es ist die Kraft, diese Erde zu gestalten, unser persönliches Leben genauso wie das Leben der Familie! Kraft zur Gestaltung der Gemeinde, in der wir leben und für die wir Verantwortung tragen. |
In der Mitte unseres Dreiklangs steht die Liebe. Sie kennen wir auch aus einem anderen Dreiklang des Apostels Paulus. Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen. |
So auch hier im 1. Timotheus−Brief. Die Liebe soll im Zentrum stehen. Um die Liebe soll sich unser Tun und Lassen drehen. Wir leben von der Liebe Gottes − und aus seiner Liebe schöpfen wir die Kraft, Ihn zu lieben, und uns untereinander. Wo Menschen einander lieben, da ist gut sein, da öffnet sich der Himmel und macht unsere Herzen und Sinne weit. |
Freilich wissen wir alle: von der Liebe zu reden ist einfacher als zu lieben. Manchmal fällt es schon schwer, die Menschen zu lieben, mit denen wir zusammenleben, mit denen wir verbunden sind. Wie viel schwerer ist es da, die Feinde zu lieben, wie uns Jesus in der Bergpredigt auffordert: Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen. Und doch haben wir als Christen gerade auch dieses Gebot! Und vielleicht haben wir ja auch schon erlebt, wie das ist, wenn die Liebe Hass überwindet und neues Leben entsteht. Wie der Geist der Liebe alles Böse überwinden kann, das zwischen uns steht. Im Geist der Liebe kann auch die Bitte um Vergebung gedeihen − im Geist der Liebe können Menschen einander verzeihen und neu anfangen. In der Ehe, in der Familie, auch in der Gemeinde oder am Arbeitsplatz. Wie gut, dass wir Gott bitten können um den Geist der Liebe. |
Und schließlich die Besonnenheit. |
Der Geist der Besonnenheit bewahrt uns vor voreiligem und unüberlegtem Handeln. Da entfahren uns manchmal ungeschickte oder auch böse Worte, die andere verletzen und beleidigen. Doch wenn wir etwas Böses gesagt haben, dann können wir es nicht mehr zurücknehmen. Wir können sagen: Oh, das habe ich nicht böse gemeint. Ich wollte dich nicht beleidigen. |
Der Geist der Besonnenheit hilft sehr beim Zusammenleben von uns Menschen. Er lässt uns erst überlegen und dann sprechen. Er hilft uns zu bedenken, welche Auswirkungen unser Reden und Tun haben können. |
Wo Menschen in der schöpferischen Kraft Gottes, in Liebe und Besonnenheit zusammenleben, da ist gut sein. Da kann das Leben erblühen, da kann der Geist Christi neues Leben schaffen − kraftvoll und voll Liebe. Eine solche Gemeinschaft tut uns allen gut − im Kleinen und im Großen − und besonders auch in einer christlichen Gemeinde! |
So ist der Kirchturm nicht nur ein Zeiger hin auf Gott, sondern auch ein Symbol dafür, dass sich unter dem Turm Menschen versammeln, die leben aus Gottes Geist − dem Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. |
Und so lasst uns, liebe Schwestern und Brüder, das Kirchturm−Jubiläum feiern als Menschen, die beständig um Gottes Geist bitten. Menschen, die darum wissen, dass Gottes Geist uns in aller Unvollkommenheit zu Menschen macht, die etwas ausstrahlen von der Kraft Gottes, von Gottes Liebe und von Besonnenheit. Und so wie der Kirchturm schon von weitem zu sehen ist, so sollen alle wissen und erleben: wo Gottes Geist weht, da ist gut sein. Da kann Leben gelingen und Freude in diese Welt bringen. |
Amen. |