Evangelische
Kirchengemeinde
Köngen
 
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20221023
23.10.2022
Abendmahlsgottesdienst in der Peter− und Paulskirche
Predigt zu Markus 2, 1−12 (im Gottesdienst mit Bildern)
1Ein paar Tage später kam Jesus nach Kapernaum zurück. Es sprach sich herum, dass er wieder zu Hause* war. 2Daraufhin strömten so viele Menschen herbei, dass der Platz nicht ausreichte − nicht einmal draußen vor der Tür. 3Da brachten Leute einen Gelähmten zu Jesus. Er wurde von vier Männern getragen. 4Aber wegen der Volksmenge konnten sie nicht bis zu ihm vordringen. Deshalb öffneten sie das Dach* genau über der Stelle, wo Jesus war. Sie machten ein Loch hinein und ließen den Gelähmten auf seiner Matte* herunter. 5Jesus sah, wie groß ihr Glaube* war, und sagte zu dem Gelähmten: „Mein Kind, deine Sünden* sind dir vergeben.“
6Es saßen aber auch einige Schriftgelehrte* dabei. Die dachten: 7„Wie kann er so etwas sagen? Das ist Gotteslästerung! Nur Gott allein kann Sünden vergeben.“ 8Doch Jesus wusste sofort, was sie dachten. Er sagte zu ihnen: „Warum habt ihr solche Gedanken? 9Was ist einfacher? Dem Gelähmten zu sagen: "Deine Sünden sind dir vergeben", oder: "Steh auf, nimm deine Matte und geh umher"? 10Aber ihr sollt sehen, dass der Menschensohn* von Gott Vollmacht bekommen hat. So kann er hier auf der Erde den Menschen ihre Sünden vergeben.“ Deshalb sagte er zu dem Gelähmten: 11„Ich sage dir: Steh auf, nimm deine Matte und geh nach Hause.“ 12Da stand der Mann auf, nahm rasch seine Matte und ging weg − vor ihren Augen. Sie gerieten außer sich, lobten Gott und sagten: „So etwas haben wir noch nie erlebt.“
BasisBibel ©2021 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart; www.basisbibel.de
Freunde und Freundinnen zu haben ist klasse,
liebe Gemeinde.
Eine tolle Geschichte dazu haben wir vorhin gehört.
Der Gelähmte hatte 4 Freunde oder waren es sogar noch mehr? War es eine große Clique zu der er als Freund einfach dazugehörte. Jedenfalls waren sie sicher öfter mit ihm unterwegs, so selbstverständlich und geschickt sie ihn zu viert auf der Matte mitgenommen haben und einen Weg gefunden haben, dass ihr Freund mittendrin sein kann.
Eine tolle Geschichte. Da ist ein Mensch heil geworden.
Denn die fünf Freunde − oder wieviel sie auch immer waren − halten fest zusammen. Ihr Vertrauen ist groß − das sieht und spürt Jesus.
Und sie erleben: Jesus sieht uns, er lacht oder lästert nicht über uns, wir Fünf dürfen bei Jesus einfach Mensch sein. Da ist ein Mensch heil geworden.
Woher ich das weiß? Welcher von den fünf ist es denn?
Woran ich erkenne das?
Nun ich denke, wir denken da oft: wenn ich laufen kann und gesund bin, dann bin ich, dann ist ein Mensch heil. Dann ist alles gut. Dann ist es so, wie Gott es gut gewollt hat. Der Gelähmte, der nun wieder laufen kann, der ist heil geworden, so denken wir.
Aber das ist zu kurz gedacht. So einfach ist das nicht! Jedenfalls nicht bei Jesus.
Das ist nicht leicht zu verstehen − damals nicht − heute nicht − es ist nicht einfach zu verstehen und schon gar nicht leicht zu fühlen.
Deshalb brauchen wir Freund:innen, die uns helfen, dies zu sehen.
Das kann die Clique sein und die Familie.
Das kann ein Team beim Sport sein oder ein Jugendclub.
An tolle Erlebnisse und gute Gespräche erinnere ich mich aus der Zeit im Jugendclub 5. Wir sind auf Berge gestiegen, haben Waldweihnacht und Silvester gefeiert, aktuelle Themen besprochen, biblische Texte diskutiert und da gab es Freundinnen und Freunde zum Reden.
Manche Clubs und Cliquen geben sich Namen.
Kennt ihr, kennen sie die "Grüne Bande" ? Es ist ein Jugendclub.
Für den heutigen Gottesdienst habe ich mich im Internet ein wenig schlau über diese "Grüne Bande" gemacht. Am Freitag habe ich nämlich über ihre neugewählte Chefin in der Stuttgarter Zeitung gelesen.
Sie hei6szlig;t Denise Tovarysova, ist 25 Jahre alt, wohnt im Stuttgarter Norden in ihrer eigenen Wohnung. Sie liebt Städtereisen und verbringt im Sommer am liebsten Zeit draußen. „Ich unternehme viel“, sagt sie. Und lachend ergänzt sie: „Ich habe mich hochgearbeitet und nach dem Abi noch ein FSJ gemacht“ und in diesem Monat beginnt sie ihr Studium an der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg, Fachrichtung inklusive Pädagogik und Heilpädagogik.
Da ist jemand heil, im Reinen mit sich.
Mit einem Video hat sie sich beworben, um den Posten als Bandenchef:in
Sie hat die meisten Stimmen der knapp 60 Mitglieder bekommen.
Denise Tovarysova ist so eine Freundin, die gerne etwas mit den anderen aus ihrem Club unternimmt. Sie will sich einbringen, damit Menschen heil werden. Und zwar nicht nur die Clubmitglieder, sondern auch ich und du, die manchmal ganz schon krank sind und denen zum Heilsein etwas fehlt.
Auf der Website der "Grüne Bande" habe ich dies Bild gefunden von einigen Mitgliedern. Mittendrin die Frau, die 2017 die Idee zu dem Club hatte:
Sina Wolf, die Frau in dem weißen Pulli.
Sie stellen sich, die "Grüne Bande" so vor: Unser Jugendclub besteht aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einer chronischen oder lebensverkürzenden Erkrankung, ihren Geschwistern, Freunden und Lebenspartnern. Auch Kinder von lebensverkürzend erkrankten Eltern gehören zu uns. Wir nutzen unsere Plattformen, um gar nicht mal so leise unsere Meinung zu sagen, denn unser Motto lautet: WIR HABEN WAS ZU SAGEN!
Denn wir wollen unser Leben aktiv gestalten, wie jeder andere auch!

Und das tun sie.
Ob tanzen oder Klinik, wir machen es gemeinsam.
Mitleid ist für mich wie eine nichtwirkende Medizin
Hier die neue Bandenchef:in Denise links und Lucy ihre Stellvertretung rechts.
Denise Tovarysova sagt im Interview in der Stuttgarter Zeitung sie freue sich, „unser Recht auf Inklusion in der Öffentlichkeit vertreten/ldquo; zu können.
Wenn ich Denise Tovarysova auf der Straße, im Café oder der U−Bahn begegnet wäre, hätte ich nie gedacht, dass dies alles und noch viel mehr zu ihrem Leben gehört. Hier sehen wir sie und ihre Stellvertreterin Lucy.
Denise erzählt auch von sich: „Meine Muskeln sind sehr schwach, ich konnte noch nie laufen. Sich Fortbewegen geht nur mit einem Elektrorollstuhl.“
Seit 15 Jahren wird sie dauerhaft künstlich beatmet.
Ein 24−Stunden−Intensivpflegedienst hilft bei Alltäglichem und schreitet ein, wenn das Beatmungsgerät zu piepsen beginnt.Sie hat sich hochgearbeitet von der Sonderschule bis zum Studium an der Evang. Hochschule Ludwigsburg und findet nun eine weitere Clique mit den Studierenden der inklusiven Pädagogik und Heilpädagogik.
Ist Denise heil? Sie wird wohl nie selbständig atmen können und laufen. Aber sie ist eine fröhliche, aktive und heile junge Frau.
Mitleid ist, wenn man in mir nur meine Krankheit sieht.
Mir hätte im Gegensatz zu ihr, meine Sünde den Blick verstellt für diese Frau, wenn ich ihr irgendwo unterwegs begegnet wäre. Denn ich hätte sie sicher bemitleidet. Und gedacht: was sie alles nicht kann. Ich hätte nicht zuerst die lebenslustige Frau in ihr wahrgenommen, die gerne lebt und sich für andere engagiert. Sie will kein Mitleid, auch kein Lob. Sie will Berührungsängste abbauen und darauf aufmerksam mache, dass Rahmenbedingungen geändert werden müssen, damit ihre Bandenmitglieder und alle anderen, gut leben können.
„Ich verstecke mich und mein Leben nicht.“
Ich habe Kraft, weil ich Hoffnung habe.
Wer ist heil. Und wer braucht an diesem Punkt Sündenvergebung, um heil zu werden wie damals die Schriftgelehrten nicht klar sehen konnten.
Jesus war heil und hat Hoffnung geschenkt. Jesus lebte im Einklang mit Gott und konnte alle Menschen als Gottes geliebte Kinder wahrnehmen.
Wer sich selbst oder andere aber als gering ansieht, ist nicht heil.
Wer zu groß von sich oder anderen denkt, ist nicht heil.
Es wird oft nur gesagt: wir Menschen wollen wie Gott sein, uns an Gottes Stelle setzen, deshalb brauchen wir die Vergebung. Aber zu klein von anderen und sich zu denken, entspricht auch nicht dem Willen Gottes. Es gibt so vieles, was eine Person lähmt, ihr Lebensmöglichkeiten raubt, sie in sich verkrümmt nicht frei leben lässt. Für Martin Luther war es der Hochmut, für mich war es lange der Kleinmut: sogar noch im Vikariat traute ich mich kaum, in der Gruppe mal etwas zu sagen.
Frei werden von dem, was dein und ihr Leben einschränkt, dazu will uns Jesu Einladung in seine Gemeinschaft helfen. Sie ist verbunden mit der Zusage: deine Fehler, deine Fehleinschätzungen, dein Versagen schließt dich nicht aus. Wenn wir Fehler zugeben, dann können wir frei werden und neu anfangen gut miteinander zu leben.
Das gemeinsame Essen mit Jesus und seiner Clique macht heil. Und es stärkt das Vertrauen in Gott, der mein und dein Leben gewollt hat und bewahren will.
Das sollt ihr Jesu Jüngerinnen und Jünger nie vergessen:
der Zeitungsartikel über Denise Tovarysova und die biblische Geschichte haben mich mal wieder wachgerüttelt:
Gottes Blick auf uns Menschen ist anders als meiner:
wer Hilfe braucht, wem Sünde den Blick verstellt, wer stark ist und andere unterstützen kann, wer frei und heil unterwegs sein kann, … − all das, dürfen wir immer wieder neu sehen lernen. Gottes Liebe will uns dazu helfen und so für alle Menschen eine gute Gemeinschaft ermöglichen.
Amen