Evangelische
Kirchengemeinde
Köngen
 
← Zur Predigten−Hauptseite

20240114
14.01.2024
Predigt am 2. Sonntag nach Epiphanias
Pfarrerin Lea Gund
Predigttext: Joh 2,1−11
Personalmangel, Fachkräftemangel, Geldmangel.
Mangel an Strukturen, Bildung, Gesundheit, Sicherheit, Ressourcen, Nahrung, Wasser.
Es mangelt an Erfolg, Menschenkenntnis, Entschlossenheit, Mut, Ausdauer, Selbstvertrauen, Verständnis und ganz besonders an Zeit…
Mangel, Mangel, Mangel.
Und ich könnte diese Liste der Mangelerscheinungen noch − gefühlt − ewig fortsetzen.
Auf dieser Welt geht es so mangelhaft zu −im Großen wie im Kleinen.
Es ist echt zum Verzweifeln.
Es bedrückt mich, ständig mit dem Gefühl umherzulaufen, dass wir nicht genug Menschen haben, die Arbeit verrichten, die unbedingt getan werden muss.
Dass wir schon jetzt zu wenig Plätze in Kitas und Pflegeheimen haben.
Dass nicht alle Menschen Zugang haben zum medizinischen Fortschritt.
Und überhaupt und sowieso: Dass es Menschen gibt, denen es sogar am Elementarsten mangelt: einem Dach über dem Kopf, Nahrung, Wasser.
Und wenn ich solchen Gedankengängen dann nachgehe, komme ich immer irgendwann zu dem Punkt, dass ich mich über mich selbst aufrege und denke: Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass ich, die ich in einem der reichsten Länder der Welt aufgewachsen bin, es mir nie an irgendetwas gefehlt hat, ständig darüber nachdenke, wovon es zu wenig gibt.
Liebe Gemeinde,
vielleicht sollten wir mehr tanzen.
Wann haben Sie das letzte Mal getanzt?
Wann haben Sie einfach mal für einen Moment den Kopf ausgeschaltet, sich der Musik hingegeben, die Bewegung fließen lassen?
Tanzen ist für mich so etwas, bei dem ich alle Sorgen für einen kurzen Moment abschütteln kann. Wo ich Freude und Dank durch mich hindurchströmen lassen kann. Manchmal mache ich das: Zu Hause immer mal wieder kurz tanzen. Wenn ich mich freue, wenn etwas geklappt hat und ich einfach dankbar bin. Dann such ich mir ein Lied aus und tanze einfach eine Runde durchs Zimmer.
Getanzt wurde bestimmt auch an dem Abend, von dem der Evangelist Johannes erzählt: Diese Geschichte, die wir eben gehört haben von der Hochzeit in Kana. Ich erinnere mich an den Sinnenpark, hier im GWH, vor ein paar Monaten. Als man hier die Geschichte von Jesus nacherleben konnte mit allen Sinnen. Da gab es auch einen Raum, in dem ein Tisch war. Alle setzten sich um den Tisch, es gab für jeden einen Schluck zu trinken und Knabbereien. Da konnte man diese Geschichte nacherleben.
Johannes erzählt uns diese Geschichte als das allererste Wunder, das Jesus tut.
Keine Kranken, die Jesus heilen soll.
Keine Dämonen, die er austreiben soll.
Einfach: ein Fest. Ein Freudenfest.
Und die Sorge, dass die Freude getrübt werden könnte, indem der Wein ausgeht. Von seiner Mutter gebeten rettet Jesus die Feier: Aus Wasser wird der erlesenste Wein. Und das Fest geht weiter.
Der Hintergrund ist einer der fröhlichsten, den man sich denken kann − zwei Menschen haben sich gefunden und wollen zusammenbleiben. Sie feiern Hochzeit. Dass ausgerechnet dabei dann der Wein ausgeht, ist zwar peinlich, aber letztlich kein Drama. Die Hochzeit hätte ja zur Not auch ohne Wein zu Ende gefeiert werden können, ohne dass einer ernstlich Schaden genommen hätte, mal abgesehen von der Blamage für das Brautpaar. Vielleicht wären sogar im Gegenteil einige Gäste vor einem kräftigen Rausch bewahrt geblieben?
Ein merkwürdiges Wunder, das von Jesus hier berichtet wird − ganz anders als alle anderen.
Warum tut Jesus dieses Wunder? Man könnte ja auch fragen: Warum heilt Jesus nicht stattdessen ein paar Kranke oder schmeißt die Besatzer raus, anstatt seine Wunderkräfte dafür zu verschwenden, dass die Leute sich besaufen können?
Ganz am Anfang im Johannesevangelium: Ein rauschendes Freudenfest.
Und ich behaupte: Darum geht es in der Bibel. Darum geht es letztlich im Glauben.
Dass Jesus sein erstes Zeichen auf einem Fest vollbringt und noch dazu mit einem so riesigen Überfluss, das hat ganz viel mit dem Inhalt seiner Botschaft, seines ganzen Lebens zu tun!
Gott liebt das Leben, Gott liebt das Lachen. Darum war es Gottes Entschluss, durch Jesus Christus in die Welt, in unser Leben zu kommen. Darum feiert er mit uns, darum schenkt er uns Gemeinschaft, darum hat er gute Worte für uns bereit.
Diese Bibelgeschichte erinnert uns an die schönen Seiten des Lebens.
Das Leben besteht nicht nur aus Katastrophen. Es geht nicht immer und täglich um Leben und Tod. Wir leben zwar, das ist wahr, stets bedroht von Krankheit und Tod, „mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen“, ja.
Aber das Leben besteht eben nicht allein aus diesen Grenzsituationen.
Das Leben besteht auch nicht nur aus Arbeit und Anstrengung.
Es gibt nicht nur den Alltag. Es gibt auch den Sonntag, den Feiertag, den Geburtstag, das Jubiläum, das gesellige Zusammensein mit einigen oder vielen Menschen auf einer Party, auf einem Empfang, bei einem guten Glas Wein am Abend, einfach das Feiern.
Das Leben ist sicher nicht nur ein Fest, schon gar kein rauschendes, ununterbrochenes, aber es ist auch nicht nur ernst und anstrengend und belastend.
Das Leben besteht nicht nur aus Mangel und Verzicht und Bescheidenheit. Es darf uns auch gut gehen und wir dürfen die Früchte unserer Arbeit, die Früchte unseres Lebens genießen.
Ich zitiere den großen Reformator Martin Luther, dem ja dieses Genießen besser als vielen anderen gelungen ist:
„Darf unser Herr Gott gute große Hechte,
auch guten Rheinwein schaffen,
so darf ich sie wohl auch essen und trinken.“

Diesen Ausspruch von ihm können Sie in dem Evangelischen Gesangbuch vor Ihnen nachlesen. (EG S. 636)
Dass wir dabei überwiegend auf dem Teppich bleiben oder schnell wieder auf dem harten Boden der Alltagswirklichkeit landen, dafür sorgt schon das Leben selbst. Bedrohung des Lebens, Mangel an allen möglichen Dingen − wir sind doch ständig damit konfrontiert.
Die Angst, dass wir durch Feiern oberflächlich werden oder die anderen Seiten des Lebens verdrängen, ist aus meiner Sicht unbegründet.
Im Gegenteil − eben, weil wir wissen, dass Leben bedroht sein kann, ist es gut, dieses zerbrechliche und doch so schöne Leben zu feiern.
Gott hat es uns dieses Leben geschenkt. Weil wir wissen, dass wir Leben auch zerstören können − unser eigenes und das anderer Menschen − wenden wir uns entschieden dagegen, wenn es Menschen versuchen.
Jesus ist nicht gekommen, um Leben zu vernichten, sondern um uns zu einem Fest zu laden.
Das werden wir nachher alle am eigenen Leib spüren, wenn wir eingeladen sind, Brot und Traubensaft zu uns zu nehmen.
Oft beschreibt er auch das Reich Gottes mit einem großen Fest, spricht davon, dass er mit denen, die zu ihm gehören, zu Tisch sitzen will − im Himmelreich.
„Ich will euch die Fülle des Lebens geben“, wird Jesus später sagen.
Und um diese Fülle geht es auch auf der Hochzeit in Kana.
Fülle. Überfluss. Genug haben. Genug sein.
„Heute haben wir mal wieder aus dem Vollen geschöpft.„
Wer diesen Satz sagt oder denkt, dem ist bewusst, wie wenig selbstverständlich das ist.
Ich will es mir vornehmen für die nächste Zeit: Meinen Blick mal weniger auf all das Mangelhafte und mehr auf die Fülle zu legen.
Und ich wünsche uns allen, dass wir immer wieder tanzen.
Ich meine auch, im Großen und im Ganzen haben wir allen Grund dazu.
Grund zu tanzen, Grund, Gott zu loben und zu danken.
Wir sollen leben und das Leben soll schön sein, ein Fest.
Zu diesem Fest des Lebens sind wir in Gottes Namen eingeladen − und auch zum Protest dort, wo andere ein Fest des Todes daraus machen wollen.
Ich denke an den 23. Psalm und stelle mir vor:
Einen reich gedeckten Tisch, ja ein großes Festmahl.
Dieses Bild ist für mich ein Hoffnungsbild.
Ein Blick in die Zukunft.
Wie es einmal sein wird, im Himmel.
Mit Jesus an einem Tisch.
Da ist kein Mangel mehr. Da fehlt es an nichts.
Da gibt es keine körperlichen und seelischen Leiden mehr.
Keinen Hunger. Keine Angst. Keine Tränen.
Da ist einfach Fülle. Segen. Gemeinschaft.
Amen.
Segen
Der Herr segne dich.
Er erfülle deine Füße mit Tanz,
dein Herz mit Zärtlichkeit,
deine Augen mit Lachen,
deine Ohren mit Musik,
deine Seele mit Frieden.